Warum sind wir als Caritas-SkF-Essen in der Beratung für Sexarbeiter:innen aktiv?

Diese Heterogenität spiegelt sich in den Erfahrungen unserer Beratungsstellen wider. Dabei unterscheiden wir explizit zwischen Sexarbeit und Menschenhandel.
Unser Anliegen als Träger ist es, all unseren Klient:innen die angemessene und passgenaue Hilfe und Unterstützung zukommen zu lassen. Dabei steht der Mensch als Expert:in für das eigene Leben im Mittelpunkt. Wir sehen uns damit in einer christlichen Tradition. Schon in der Bibel trifft Jesus auf Sexarbeiter:innen (z.B. Lukas 7, 36-50), verurteilt aber ihre Arbeit nicht.
Sowohl in der Beratungsstelle FreiRaum (freiRaum) für Sexarbeiter:innen sowie im niederschwelligen Beratungsangebot StrichPunkt (StrichPunkt) auf dem Essener Straßenstrich als auch in der Fachberatungsstelle Nachtfalter (Nachtfalter) für Betroffene von Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung ist es unser oberstes Anliegen, die Rechte, Selbstbestimmung und Würde der Menschen, die sich an uns wenden, zu wahren und zu unterstützen. Dafür ist es essenziell, ihnen vorurteilsfrei und ohne ethisch-moralische Vorbewertung zu begegnen, um einen stabilen und vertrauensvollen Kontakt aufzubauen. In einem nächsten Schritt kann die passende Unterstützung gemeinsam mit der Klientin eingeleitet werden. Obwohl Sexarbeitende faktischen Zwängen unterliegen können, sind nicht alle hilflose Opfer. Unsere Aufgabe im professionellen Kontakt ist es, ihre realen Möglichkeiten der Selbstbestimmung zu berücksichtigen und sie in ihren Rechten zu stärken.
Daneben ist es auch die Aufgabe der Sozialen Arbeit, Sexarbeit als gesellschaftliches Phänomen in den Blick zu nehmen. Diese ist dabei im Wesen von Menschenhandel zu unterscheiden, der zurecht eine Straftat (§ 232 StGB) ist. Als Sozialarbeitende müssen wir strukturelle Faktoren wie beispielsweise geringen Bildungsstand und geringe soziale Ressourcen erkennen und benennen, die dazu führen können, dass Menschen Sexarbeit als eine von wenigen Möglichkeiten erleben, um sicheres Einkommen zu erzielen.
Das Essener Modell des geschützten Straßenstrichs ist erfolgreich, weil…
…es den größtmöglichen Schutz für Straßensexarbeiterinnen bietet und verhindert, dass das Angebot in dunklen und unübersichtlichen Ecken im rechtsfreien Raum stattfindet. Sexarbeit ist eine gesellschaftliche Realität. Gemeinsam mit dem Sozialamt, dem Gesundheitsamt und dem Ordnungsamt der Stadt Essen sowie der Polizei haben die Träger im Kooperationsverbund auf dem Essener Straßenstrich den Schutz und die Unterstützung der Sexarbeiter:innen in den Mittelpunkt gestellt. Der Arbeitsort ist hell ausgeleuchtet, hat mit den Verrichtungsboxen einen Notknopf und Fluchtmöglichkeiten für die Frauen. Mit dem Beratungscontainer gibt es zudem eine niederschwellige Anlaufstelle für alltagspraktische Hilfen zur Erhaltung der Gesundheit (Kondome, Spritzentausch) sowie einen Safe Space nur für Frauen, um zur Ruhe zu kommen, sich auszutauschen und Informationen und Hilfe zu erhalten. Im Kooperationsverbund ist Fachpersonal aus verschiedenen Beratungsstellen vor Ort, sodass schnell auf die speziellen Bedarfe eingegangen werden kann. Betroffene von Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung erhalten durch die Fach- und Beratungsstelle Nachtfalter differenzierte Präventions-, Beratungs- und Unterstützungsangebote. Von Suchtmitteln abhängige Frauen finden professionelle Unterstützung durch die Suchthilfe direkt (Suchthilfe-direkt Essen gGmbH) und den Verein zur Hilfe suchtmittelabhängiger Frauen Essen e.V. BELLADONNA (Bella Donna: Startseite). Die Beratungsstelle FreiRaum berät und begleitet in der Sexarbeit Tätige und unterstützt sie bei der Durchsetzung ihrer Rechte. Das Gesundheitsamt bietet Beratung und Untersuchung zu sexueller Gesundheit und Verhütung. Die Zusammenarbeit mit Polizei und Ordnungsamt sorgt für sichere Verhältnisse auf dem Platz. Seit der Verlegung des Straßenstrichs an den ehemaligen Kirmesplatz ist die Zahl der Übergriffe auf Frauen drastisch zurückgegangen.
Durch diese kooperative Zusammenarbeit ist eine Vermittlung in weiterführende Hilfesysteme schnell und unbürokratisch möglich.
Essen, 30.05.2025
*(Studie: Was brauchen Sexarbeiter*innen für ihre Gesundheit? – Deutsche Aidshilfe)